Metal­le und Metal­li­scher Zahnersatz

22.01.2020

Die Belas­tung des Orga­nis­mus mit Metal­len nimmt mit zuneh­men­dem Lebens­al­ter zu, da einer­seits die Expo­si­ti­on zunimmt (Zahn- und Gelenk­er­satz, Umwelt- und Nah­rungs­ex­po­si­ti­on) ande­rer­seits sich Metal­le sehr fest in ver­schie­de­nen Kör­per­zel­len an Eiwei­ße bin­den und die natür­li­che Aus­schei­dung kaum mehr statt­fin­den kann. Neben Nah­rung, Inha­la­ti­on und Kör­per­schmuck zäh­len vor allem auch die medi­zi­nisch in den Kör­per ein­ge­brach­ten Metal­le zu den bedeu­ten­den Schwer­me­tall-Quel­len. Eine beson­de­re Bedeu­tung hat dabei neben der Chir­ur­gie auch die Zahn­me­di­zin. Pro­the­sen, Fül­lun­gen, Kro­nen, Brü­cken und Zahn­span­gen sowie Implan­ta­te kön­nen dau­er­haft in den Kör­per ein­ge­brach­te metal­li­sche Expo­si­ti­ons­quel­len darstellen.

(Quel­le: Deut­sche Gesell­schaft für Umwelt-Zahn­Me­di­zin; April 2014)

Gute und schlech­te Metalle

Nur eini­ge weni­ge Metal­le wie z.B. Eisen, Zink, Kobalt und Kup­fer sind soge­nann­te essen­ti­el­le Spu­ren­ele­men­te, das heißt, dass sie der Orga­nis­mus benö­tigt. Sie sind fest gebun­de­nen in Enzy­men und wich­tig für zahl­rei­che Stoff­wech­sel­pro­zes­se. Sie lie­gen natür­li­cher­wei­se in gerin­gen Kon­zen­tra­tio­nen im Kör­per vor. In höhe­rer Kon­zen­tra­ti­on und abhän­gig von ihren Oxi­da­ti­ons­stu­fen kön­nen aber selbst die­se bio­lo­gisch wich­ti­gen essen­ti­el­len Metal­le toxi­sche Schä­den ver­ur­sa­chen oder all­er­gi­sie­rend wir­ken (z.B. Kobalt, Kup­fer). Die­ses gilt vor allem, wenn die Metal­le in frei­er Form vor­lie­gen. In die­sem Zustand gehen sie auf­grund ihrer hohen Reak­ti­vi­tät uner­wünsch­te Bin­dun­gen an kör­per­ei­ge­ne Struk­tu­ren ein.

Die Mehr­zahl der Metal­le, und dazu gehö­ren auch die Edel­me­tal­le wie Gold, Pla­tin und Pal­la­di­um sowie auch Titan, kön­nen im mensch­li­chen Orga­nis­mus toxi­sche, all­er­gi­sche und ander­wei­tig ent­zün­dungs- aus­lö­sen­de Wir­kun­gen indu­zie­ren. Dabei spielt sowohl die Men­ge der Metal­le (Belas­tungs­grad) sowie die indi­vi­du­el­le Emp­find­lich­keit des jewei­li­gen Men­schen eine Rolle.

Ein Ziel der Umwelt-Zahn­Me­di­zin und der Umwelt-Zahn­Tech­nik ist es, die Metall­be­las­tung des Orga­nis­mus durch den Zahn­ersatz so gering wie mög­lich zu hal­ten. Qua­li­täts­kri­te­ri­en sind ins­be­son­de­re Kor­ro­si­ons­sta­bi­li­tät und eine mög­lichst gerin­ge Materialvielfalt.

Es ist unnö­tig, dass auch heu­te noch ein ein­zel­ner Zahn­ersatz aus einem Metall­mix von zwei bis vier ver­schie­de­nen Metall­le­gie­run­gen besteht, die im ungüns­ti­gen Fall noch durch Löten mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den. Lote ent­hal­ten immer wei­te­re, oft in den Kon­for­mi­täts­er­klä­run­gen nicht dekla­rier­te Metal­le und sind sehr wenig kor­ro­si­ons­be­stän­dig. Für die Gefü­ge­ver­bin­dung favo­ri­siert die Umwelt-Zahn­tech­nik aus die­sem Grund das Laser­schwei­ßen oder die Fun­ken­ero­si­on, eine Ver­bin­dung von Metal­len über Ver­zap­fung (ähn­lich dem bekann­ten Ver­fah­ren aus dem Schreinerhandwerk).

(Quel­le: Deut­sche Gesell­schaft für Umwelt-Zahn­Me­di­zin; April 2014)

Kor­ro­si­on als Kernproblem

Das Pro­blem der Metall­be­las­tung wird oft dadurch ver­stärkt, dass eine Pro­the­se vom Zahn­arzt in einen Mund ein­ge­setzt wird, in dem sich bereits ande­re metal­li­sche Kon­struk­tio­nen wie Fül­lun­gen oder Kro­nen befin­den. Damit beginnt ein gal­va­ni­sches Gesche­hen (Prin­zip der Bat­te­rie), d. h. es gehen durch Kor­ro­si­on ver­mehrt Metal­lio­nen in Lösung die über die Schleim­häu­te des Mun­des und Ver­dau­ungs­trak­tes in den Orga­nis­mus auf­ge­nom­men wer­den. Über die Jah­re kann sich bei ent­spre­chen­der Dis­po­si­ti­on des Pati­en­ten die Belas­tung im Orga­nis­mus summieren.

Die Fol­gen der durch Kor­ro­si­on oder Abrieb ver­ur­sach­ten Metall­frei­set­zung in der Mund­höh­le kön­nen sein: Ent­mi­ne­ra­li­sie­run­gen der Zäh­ne, Rötun­gen, Schwel­lun­gen, Bren­nen und Ver­fär­bun­gen der Schleim­häu­te, chro­ni­sche the­ra­pie­re­frak­tä­re Par­odon­ti­tis, metal­li­scher Geschmack, Mund­ge­ruch bis hin zu Zel­lent­ar­tun­gen durch Ein­wir­kun­gen chro­ni­scher Reizfaktoren.

Auch wenn die sys­te­mi­schen Aus­wir­kun­gen der Metal­le stark von der indi­vi­du­el­len Emp­find­lich­keit der betrof­fe­nen Per­son abhän­gen, sind Metall­wir­kun­gen bei zahl­rei­chen Erkran­kun­gen patho­ge­ne­tisch als bedeut­sam für die Krank­heits­aus­lö­sung bzw. deren Pro­gres­si­on nach­ge­wie­sen wor­den. Dazu zäh­len neben den Metall­all­er­gien auch Auto­im­mun­erkran­kun­gen, Arte­rio­skle­ro­se und Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen, neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen (z.B. Demenz, Mor­bus Par­kin­son) oder das Chro­nic Fati­gue Syn­drom (chro­ni­sches Müdig­keits­syn­drom). Die Bedeu­tung der Metall­be­las­tung bei Kar­zi­no­m­er­kran­kun­gen wird kon­tro­vers dis­ku­tiert, steht aber im Fokus aktu­el­ler Untersuchungen.

Die genann­ten Zusam­men­hän­ge machen deut­lich, dass der Zahn­me­di­zin und der Zahn­tech­nik eine gro­ße Ver­ant­wor­tung für die Gesund­heit der Pati­en­ten zukommt.

(Quel­le: Deut­sche Gesell­schaft für Umwelt-Zahn­Me­di­zin; April 2014)

Das Pro­blem ist messbar

Bei kli­ni­schem Ver­dacht auf eine toxi­sche Metall­be­las­tung aus dem Zahn­ersatz, kann die Schwer­me­tall­frei­set­zung durch die soge­nann­te Mul­ti­ele­ment­ana­ly­se des Spei­chels (MEA) nach­ge­wie­sen wer­den. Eine Alter­na­ti­ve zur Erfas­sung der die Belas­tung för­dern­den Kor­ro­si­on bie­tet auch eine Mundstrommessung.

Als die der­zeit zuver­läs­sigs­te Metho­de zum Nach­weis einer all­er­gi­schen sys­te­mi­schen Sen­si­bi­li­sie­rung hat sich der Lym­pho­zy­ten­trans­for­ma­ti­ons­test (LTT) erwie­sen. Beson­ders wenn ent­zünd­li­che Erkran­kun­gen im Zusam­men­hang mit metal­li­schem Zahn­ersatz ver­mu­tet wer­den oder wenn bereits in der Ana­mne­se uner­wünsch­te Reak­tio­nen auf Schmuck oder auch Zahn­ersatz, chir­ur­gi­sche Appli­ka­tio­nen oder ähn­li­ches auf­ge­tre­ten sind, ist die­se Tes­tung sowohl kura­tiv als auch prä­ven­tiv zu emp­feh­len. Die Labor­dia­gnos­tik bie­tet heu­te eta­blier­te Mög­lich­kei­ten für die toxi­ko­lo­gi­sche und all­er­go­lo­gi­sche Diagnostik.

(Quel­le: Deut­sche Gesell­schaft für Umwelt-Zahn­Me­di­zin; April 2014)

Was sind Alternativen?

Es ist zu begrü­ßen, dass dank des Fort­schritts im Bereich zahn­tech­ni­scher Werk­stof­fe heu­te Kro­nen, Brü­cken und Pro­the­sen metall­frei her­ge­stellt wer­den kön­nen. Bei Implan­ta­ten ste­hen uns Kera­mik­im­plan­ta­te oder kera­misch umman­tel­te Titan­im­plan­ta­te zur Ver­fü­gung wobei beach­tet wer­den muss, dass für die Kera­mik­im­plan­ta­te Lang­zeit­stu­di­en hin­sicht­lich Frak­tur- und Ver­lust­ri­si­ko  natur­ge­mäß noch nicht vor­lie­gen können.

Wenn wegen der not­wen­di­gen Sta­bi­li­tät oder aus ande­ren Grün­den beim Zahn­ersatz nicht auf Metall ver­zich­tet wer­den kann, soll­te immer nur eine ein­zi­ge Legie­rung Ver­wen­dung fin­den. Außer­dem muss vor Ein­glie­de­rung schon in der Pla­nungs­pha­se aus­ge­schlos­sen sein, dass der Pati­ent auf das in Fra­ge kom­men­de Metall eine all­er­gi­sche Sen­si­bi­li­sie­rung hat.

Am häu­figs­ten ein­ge­setzt wer­den hier die Nicht-Edel-Metall (NEM)-Legierungen die heu­te nahe­zu aus­schließ­lich auf Chrom-Kobalt-Molyb­dän-Basis bestehen. Sie zei­gen ein gro­ßes Indi­ka­ti­ons­spek­trum sowie bei guter zahn­tech­ni­scher Ver­ar­bei­tung die höchs­te Dau­er­sta­bi­li­tät und die gerings­te Kor­ro­si­ons­an­fäl­lig­keit. Ent­ge­gen der oft noch anzu­tref­fen­den Annah­me sind hoch­gold­hal­ti­ge Legie­run­gen in der Mund­höh­le nicht kor­ro­si­ons­sta­bil (Prof. Nie­der­mei­er, „Rhei­ni­sches Zahn­ärz­te­blatt 4 /2013).

Sofern bereits ande­re Metall­kon­struk­tio­nen in der Mund­höh­le vor­han­den sind, soll­ten Zahn­arzt und Pati­ent gemein­sam über­le­gen, ob die­se durch metall­freie Mate­ria­li­en aus­ge­tauscht wer­den bevor die Ein­glie­de­rung des neu­en Zahn­ersat­zes erfolgt.

Dr. med. dent. Hil­trud Boe­ger
Carls­platz 18
40213 Düs­sel­dorf
Tel.: 0211 292 75 50
E‑Mail: drboeger@t‑online.de

(Quel­le: Deut­sche Gesell­schaft für Umwelt-Zahn­Me­di­zin; April 2014)

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