Die Belastung des Organismus mit Metallen nimmt mit zunehmendem Lebensalter zu, da einerseits die Exposition zunimmt (Zahn- und Gelenkersatz, Umwelt- und Nahrungsexposition) andererseits sich Metalle sehr fest in verschiedenen Körperzellen an Eiweiße binden und die natürliche Ausscheidung kaum mehr stattfinden kann. Neben Nahrung, Inhalation und Körperschmuck zählen vor allem auch die medizinisch in den Körper eingebrachten Metalle zu den bedeutenden Schwermetall-Quellen. Eine besondere Bedeutung hat dabei neben der Chirurgie auch die Zahnmedizin. Prothesen, Füllungen, Kronen, Brücken und Zahnspangen sowie Implantate können dauerhaft in den Körper eingebrachte metallische Expositionsquellen darstellen.
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin; April 2014)
Gute und schlechte Metalle
Nur einige wenige Metalle wie z.B. Eisen, Zink, Kobalt und Kupfer sind sogenannte essentielle Spurenelemente, das heißt, dass sie der Organismus benötigt. Sie sind fest gebundenen in Enzymen und wichtig für zahlreiche Stoffwechselprozesse. Sie liegen natürlicherweise in geringen Konzentrationen im Körper vor. In höherer Konzentration und abhängig von ihren Oxidationsstufen können aber selbst diese biologisch wichtigen essentiellen Metalle toxische Schäden verursachen oder allergisierend wirken (z.B. Kobalt, Kupfer). Dieses gilt vor allem, wenn die Metalle in freier Form vorliegen. In diesem Zustand gehen sie aufgrund ihrer hohen Reaktivität unerwünschte Bindungen an körpereigene Strukturen ein.
Die Mehrzahl der Metalle, und dazu gehören auch die Edelmetalle wie Gold, Platin und Palladium sowie auch Titan, können im menschlichen Organismus toxische, allergische und anderweitig entzündungs- auslösende Wirkungen induzieren. Dabei spielt sowohl die Menge der Metalle (Belastungsgrad) sowie die individuelle Empfindlichkeit des jeweiligen Menschen eine Rolle.
Ein Ziel der Umwelt-ZahnMedizin und der Umwelt-ZahnTechnik ist es, die Metallbelastung des Organismus durch den Zahnersatz so gering wie möglich zu halten. Qualitätskriterien sind insbesondere Korrosionsstabilität und eine möglichst geringe Materialvielfalt.
Es ist unnötig, dass auch heute noch ein einzelner Zahnersatz aus einem Metallmix von zwei bis vier verschiedenen Metalllegierungen besteht, die im ungünstigen Fall noch durch Löten miteinander verbunden werden. Lote enthalten immer weitere, oft in den Konformitätserklärungen nicht deklarierte Metalle und sind sehr wenig korrosionsbeständig. Für die Gefügeverbindung favorisiert die Umwelt-Zahntechnik aus diesem Grund das Laserschweißen oder die Funkenerosion, eine Verbindung von Metallen über Verzapfung (ähnlich dem bekannten Verfahren aus dem Schreinerhandwerk).
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin; April 2014)
Korrosion als Kernproblem
Das Problem der Metallbelastung wird oft dadurch verstärkt, dass eine Prothese vom Zahnarzt in einen Mund eingesetzt wird, in dem sich bereits andere metallische Konstruktionen wie Füllungen oder Kronen befinden. Damit beginnt ein galvanisches Geschehen (Prinzip der Batterie), d. h. es gehen durch Korrosion vermehrt Metallionen in Lösung die über die Schleimhäute des Mundes und Verdauungstraktes in den Organismus aufgenommen werden. Über die Jahre kann sich bei entsprechender Disposition des Patienten die Belastung im Organismus summieren.
Die Folgen der durch Korrosion oder Abrieb verursachten Metallfreisetzung in der Mundhöhle können sein: Entmineralisierungen der Zähne, Rötungen, Schwellungen, Brennen und Verfärbungen der Schleimhäute, chronische therapierefraktäre Parodontitis, metallischer Geschmack, Mundgeruch bis hin zu Zellentartungen durch Einwirkungen chronischer Reizfaktoren.
Auch wenn die systemischen Auswirkungen der Metalle stark von der individuellen Empfindlichkeit der betroffenen Person abhängen, sind Metallwirkungen bei zahlreichen Erkrankungen pathogenetisch als bedeutsam für die Krankheitsauslösung bzw. deren Progression nachgewiesen worden. Dazu zählen neben den Metallallergien auch Autoimmunerkrankungen, Arteriosklerose und Herz-Kreislauferkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen (z.B. Demenz, Morbus Parkinson) oder das Chronic Fatigue Syndrom (chronisches Müdigkeitssyndrom). Die Bedeutung der Metallbelastung bei Karzinomerkrankungen wird kontrovers diskutiert, steht aber im Fokus aktueller Untersuchungen.
Die genannten Zusammenhänge machen deutlich, dass der Zahnmedizin und der Zahntechnik eine große Verantwortung für die Gesundheit der Patienten zukommt.
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin; April 2014)
Das Problem ist messbar
Bei klinischem Verdacht auf eine toxische Metallbelastung aus dem Zahnersatz, kann die Schwermetallfreisetzung durch die sogenannte Multielementanalyse des Speichels (MEA) nachgewiesen werden. Eine Alternative zur Erfassung der die Belastung fördernden Korrosion bietet auch eine Mundstrommessung.
Als die derzeit zuverlässigste Methode zum Nachweis einer allergischen systemischen Sensibilisierung hat sich der Lymphozytentransformationstest (LTT) erwiesen. Besonders wenn entzündliche Erkrankungen im Zusammenhang mit metallischem Zahnersatz vermutet werden oder wenn bereits in der Anamnese unerwünschte Reaktionen auf Schmuck oder auch Zahnersatz, chirurgische Applikationen oder ähnliches aufgetreten sind, ist diese Testung sowohl kurativ als auch präventiv zu empfehlen. Die Labordiagnostik bietet heute etablierte Möglichkeiten für die toxikologische und allergologische Diagnostik.
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin; April 2014)
Was sind Alternativen?
Es ist zu begrüßen, dass dank des Fortschritts im Bereich zahntechnischer Werkstoffe heute Kronen, Brücken und Prothesen metallfrei hergestellt werden können. Bei Implantaten stehen uns Keramikimplantate oder keramisch ummantelte Titanimplantate zur Verfügung wobei beachtet werden muss, dass für die Keramikimplantate Langzeitstudien hinsichtlich Fraktur- und Verlustrisiko naturgemäß noch nicht vorliegen können.
Wenn wegen der notwendigen Stabilität oder aus anderen Gründen beim Zahnersatz nicht auf Metall verzichtet werden kann, sollte immer nur eine einzige Legierung Verwendung finden. Außerdem muss vor Eingliederung schon in der Planungsphase ausgeschlossen sein, dass der Patient auf das in Frage kommende Metall eine allergische Sensibilisierung hat.
Am häufigsten eingesetzt werden hier die Nicht-Edel-Metall (NEM)-Legierungen die heute nahezu ausschließlich auf Chrom-Kobalt-Molybdän-Basis bestehen. Sie zeigen ein großes Indikationsspektrum sowie bei guter zahntechnischer Verarbeitung die höchste Dauerstabilität und die geringste Korrosionsanfälligkeit. Entgegen der oft noch anzutreffenden Annahme sind hochgoldhaltige Legierungen in der Mundhöhle nicht korrosionsstabil (Prof. Niedermeier, „Rheinisches Zahnärzteblatt 4 /2013).
Sofern bereits andere Metallkonstruktionen in der Mundhöhle vorhanden sind, sollten Zahnarzt und Patient gemeinsam überlegen, ob diese durch metallfreie Materialien ausgetauscht werden bevor die Eingliederung des neuen Zahnersatzes erfolgt.
Dr. med. dent. Hiltrud Boeger
Carlsplatz 18
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211 292 75 50
E‑Mail: drboeger@t‑online.de
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin; April 2014)